Faszienlockerung zur Verbesserung des Sitzes
Gastbeitrag von Christine Kuhn
Christine Kuhn ist eine langjährige Schülerin von mir, die sich in den letzten Jahren sehr intensiv mit dem Sitz und insbesondere mit der Bedeutung der Faszien für die Geschmeidigkeit und die Symmetrie des Sitzes beschäftigt hat. Sie bietet sowohl Reitunterricht als auch Seminare an, in denen der Lockerung der Faszien bei der Sitzarbeit besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Sie hat nun einen Beitrag für unseren Newsletter geschrieben, in dem sie diese Arbeit kurz beschreibt. Ich hoffe, Sie finden dieses Thema genauso spannend wie ich. – Thomas Ritter
In den letzten Newslettern hat Thomas über die Zusammenhänge zwischen den Asymmetrien des Reiters und des Pferdes berichtet. Auch ich habe über die Jahre hinweg immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Reiter-Pferd-Paare oft gleiche oder ähnliche gesundheitliche Probleme haben. Und damit kommen wir zum Kernproblem in der Reiterei: Der Sitz des Reiters ist das Fundament und stellt die Basis dar. Nur aus einem losgelassenen Sitz heraus ist es möglich, korrekt und mit feinen Hilfen auf das Pferd einzuwirken. Jede Schwäche, Schiefe oder mangelnde Balance wirkt sich negativ auf die Ausbildung des Pferdes und auf die Kommunikation zwischen Pferd und Reiter aus und führt unweigerlich zu Problemen. Wie sagte kürzlich eine sehr gute Freundin zu mir: „Pferde haben sich uns zur Verfügung gestellt“. Sie begleiten uns, sind Partner und sind niemals nachtragend. Auch wenn wir Fehler machen, geben sie uns die große Chance, uns weiterzuentwickeln – sowohl auf geistiger als auch auf körperlicher Ebene. Wenn wir lernen, unsere Sinne wahrzunehmen, zu fühlen, zu sehen und zu hören, bieten uns Pferde die große Möglichkeit, körperliches und geistiges Gleichgewicht zu erlangen. Sie lehren uns, durch Selbstbeobachtung des eigenen Verhaltens, der eigenen Gedanken und Gefühle, zu uns zu finden.
Aber was können wir tun, wenn wir unsere körperlichen Probleme erkannt haben? Damit habe ich mich jahrelang beschäftigt, denn: Einfach nur zu korrigieren, war eine sehr kurzfristige Lösung.
Korrigierte ich beispielsweise nach vorne hängende Schultern, war es den Reitern nur kurze Zeit möglich, diese Veränderung aufrecht zu erhalten. Spätestens in der nächsten Unterrichtseinheit musste ich das gleiche Problem wieder korrigieren. Daher begann ich mich 2015, in Zusammenarbeit mit einer Sportwissenschaftlerin, um eine langfristige Lösung zu bemühen. Wir machten entscheidende Fortschritte, indem wir das fasziale Gewebe lockerten. Beeindruckend war, dass schon einfachste Übungen enorme Veränderungen im ganzen Körper mit sich brachten. Der Reiter saß anschließend wesentlich tiefer und losgelassener im Sattel.
Die Faszie ist die Weichteilkomponente des Bindegewebes, die den ganzen Körper als ein umhüllendes und verbindendes Spannungsnetzwerk durchdringt. Faszien sind das, was jeden Muskel, jedes Organ, aber auch jede Bandstruktur umgibt. Sie vernetzen unseren ganzen Körper. Neue wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass für die Leistungsfähigkeit der Muskeln die Faszien eine entscheidende Rolle spielen. Sie haben großen Einfluss auf die Geschmeidigkeit und Genauigkeit von Bewegungen. Durch Fehl- oder Überbelastung sowie durch Bewegungsmangel können die Faszien verkleben und sich zusammenziehen. Eine Massage mit der Faszienrolle oder Bällen führt zu einer gezielten Reduktion der ständigen Anspannung der Muskelfasern sowie zu einer nachhaltigen Prophylaxe dieser dauerhaft verkürzten oder fehlbeanspruchten Muskeln.
Das Becken ist für einen losgelassenen Reitersitz von fundamentaler Bedeutung, daher begannen wir mit einer Faszienlockerung des äußeren und inneren Oberschenkelmuskels, sowie des großen Gesäßmuskels (Gluteus maximus: der volumenmäßig größte und zweitstärkste Muskel unseres Körpers; Beckenstabilisator).
Durch unseren inaktiven Lebensstil kommt es oft zu einer Abschwächung der Gesäßmuskulatur. Die Folge ist eine Kompensation durch andere Muskeln, sodass Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich, an der Kniescheibe, im sogenannten Iliosakralgelenk (Ischiasbeschwerden) und im Bereich der Leisten auftreten können. Zum anderen kann es zum Abkippen des Beckens nach vorne kommen, was letztendlich in einem Hohlkreuz endet.
Um eine langfristige Gesunderhaltung zu gewährleisten, nahmen wir zusätzlich zu den jeweiligen Faszienlockerungsübungen noch entsprechende Dehnungsübungen und Übungen zum Muskelaufbau hinzu. Ausgehend von der Mittelpositur ist es außerdem sinnvoll, die Lockerung der Faszien nach oben und unten und damit über den gesamten Körper auszuweiten.
Faszienlockerung großer Gesäßmuskel:
Wir beginnen mit der rechten Seite Ihres Gesäßmuskels. Stellen Sie sich die Hosentasche Ihrer Jeans vor. Setzen Sie sich seitlich mit den Beinen angewinkelt auf einen Tennisball in Höhe der rechten Hosentasche. Es kann sein, dass dieser Punkt schmerzhaft ist. Die Beine sind leicht nach rechts gedreht, sodass mehr Gewicht auf dem Ball liegt. Mit den Armen nach hinten stützen Sie den Oberkörper ab. Der Brustkorb zeigt Richtung Decke, die Schultern sind tief und zeigen nach hinten, die Halswirbelsäule ist gestreckt. Vielleicht können Sie die Übung neben einem Spiegel durchführen oder eine andere Person bitten, die korrekte Haltung zu kontrollieren. Dann klappen Sie das untere Bein Richtung Boden ab und führen es wieder zum anderen Bein zurück. Das Becken bleibt ruhig. Wiederholen Sie das ganze dreimal. Anschließend heben Sie das untere Bein ab, führen es wieder Richtung Boden und zurück zum anderen Bein. Wiederholen Sie auch das dreimal. Nun bleiben Sie auf dem Ball sitzen und führen kleine kreisförmige Bewegungen durch, anschließend wechseln Sie die Richtung. Führen Sie auch hier bitte jeweils drei Wiederholungen durch. Setzen Sie sich auf einen Stuhl, was spüren Sie? Wie fühlt sich die linke, wie die rechte Seite an? Die rechte Seite sollte sich nun locker und warm anfühlen. Es kommt Ihnen so vor, als würden Sie tiefer sitzen. Vielleicht finden Sie auf der rechten Seite noch ein/zwei weitere Punkte, die schmerzhaft sind. Bearbeiten Sie auch diese, wie oben beschrieben. Denken Sie wieder an die korrekte Sitzposition und bearbeiten Sie nun die linke Seite Ihres Gesäßmuskels. Setzten Sie sich anschließend wieder auf einen Stuhl. Wie fühlt es sich jetzt an? Durch die Massage mit einer Faszienrolle oder Bällen werden die Bindegewebszellen stimuliert und der Lymphabfluss in Gang gesetzt. Daher spielt eine optimale Versorgung mit Nährstoffen, ebenso wie eine ausreichende Trinkmenge eine große Rolle. Indem wir zusätzlich, unabhängig vom Reiten an unserer Körperhaltung und unseren gesundheitlichen Problemen zu arbeiten beginnen, können wir bei der Ausbildung unseres Pferdes neue Impulse setzen. Schlussendlich werden sich die Asymmetrien mehr und mehr ausgleichen.
Fazit:
Die Lockerung der Faszien, gezielte Dehnungsübungen und gezielter Muskelaufbau führen langfristig zu einer enormen gesundheitlichen Verbesserung und zu einem aufrechteren Gang. Wir kommen in Balance, in unser körperliches und geistig-seelisches Gleichgewicht. Nur daraus kann ein harmonisches Miteinander, gegenseitiger Respekt, Unabhängigkeit und geistige Flexibilität entstehen. Pferde lehren uns, auf uns zu achten. Damit legen wir den Grundstein dafür, dass die Ausbildung des Pferdes immer unter dem Aspekt der Harmonie und Leichtigkeit erfolgen und dem körperlichen und seelischen Wohl des Pferdes dienen sollte.
„Reiten heißt nicht, vor Publikum nach Erfolgen haschen;
Reiten heißt der Dialog mit dem Pferd in der Abgeschiedenheit,
heißt die Bemühung um gegenseitiges sich verstehen und um Vollkommenheit.
(Verfasser unbekannt)
EQUNOM
Christine Kuhn
Tel.: 0163/7436060
Seminartermine: Faszientraining: 23.1./16.2./20.2.
Ernährungsseminar: 16.2.